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Verhaltensökonomie: Nachhaltig leben im Privaten und Beruf

Auf vielen Vorsätzen für das neue Jahr steht möglicherweise auch der Wunsch, den Alltag im Privatleben und Beruf nachhaltiger zu gestalten. Was kann das genau bedeuten? Und welche Schritte können hilfreich sein, um das eigene Verhalten zu ändern? Im Interview mit Prof. Dr. Goerg erhalten Sie Einblicke in die Forschung aus der Verhaltensökonomie und dem Schwerpunktthema Nachhaltigkeit.

Prof. Dr. Goerg forscht in den Bereichen der Verhaltens- und Experimentalökonomie und untersucht die Auswirkungen von Anreizen, Informationen und (rechtlichen) Institutionen auf menschliches Verhalten. Er verfolgt dabei eine interdisziplinäre Forschungsagenda und verknüpft mit Koautor:innen Sozial- und Naturwissenschaften. Gleichzeitig lehrt er zum Themenkomplex „Sustainable Behavior Change“ im Zertifikatsprogramm „Sustainable Management and Technology“.

Das Thema Nachhaltigkeit hat stark an Bedeutung gewonnen. Viele Menschen wollen ihren Alltag nachhaltiger gestalten, sei es im Privatleben oder im Beruf. Wie das in der Praxis dann umgesetzt wird, kann unterschiedlich aussehen. Das könnte auch an einer variierenden Definition von Nachhaltigkeit liegen. Wie definieren Sie in der Verhaltensökonomik Nachhaltigkeit? Und gibt es eine weitere Definition für „nachhaltiges Verhalten“?

Prof. Goerg: Natürlich interessieren wir uns dafür, wie wir es Menschen erleichtern können sich nachhaltiger zu verhalten. Hier im Sinne von ökologisch nachhaltig. Dabei geht es oft darum, wie man Informationen zur Nachhaltigkeit von Produkten oder Entscheidungen transparenter und verständlicher kommunizieren kann. Oder wie man die Entscheidungssituation anpassen kann, so dass es eine bewusste Entscheidung für oder gegen eine nachhaltige Option getroffen wird und nicht einfach eine reflexartige Entscheidung, weil man es in der Vergangenheit immer so gemacht hat.

Aber wir verstehen Nachhaltigkeit auch im Sinne von Verhaltensveränderungen die dauerhaft sind. Ganz einfaches Beispiel zum Energie sparen: Wenn ich die Heizung in meinem Büro übers Wochenende nur runter drehe, wenn ich daran erinnert werde und nicht selbstständig daran denke, dann gibt es keine dauerhafte Verhaltensveränderung. Mein Verhalten hat sich nicht nachhaltig geändert, sondern benötigt immer wieder Impulse von außen. Also interessieren wir uns auch für Ansätze, die das nachhaltige Verhalten zur Gewohnheit werden lassen.

Zum Jahresbeginn sind immer viele Menschen motiviert, neue Vorsätze umzusetzen und konkret ihr Verhalten zu ändern. Welche Konzepte empfehlen Sie aus der Verhaltensökonomik, um langfristig darin erfolgreich zu sein?

Prof. Goerg: Viele setzen sich ja Ziele für das neue Jahr, z.B. mehr Sport machen, ein paar Kilos abnehmen, oder bessere Noten schreiben. Es gibt viel Forschung aus dem Bereich der Psychologie und der Verhaltensökonomik, die sich anschaut, wie Ziele die Motivation für solche Vorhaben steigern können. Sowohl für Ziele im Bereich der Mitarbeiterführung als auch bei individuellen, privaten Zielen zeigt sich, dass Ziele die SMART sind, erfolgreicher sind. SMART steht dabei für spezifisch also nicht vage, messbar, erreichbar (auf Englisch achievable), angemessen (auf Englisch reasonable), und terminiert. Wenn ich also beispielsweise im neuen Jahr abnehmen möchte, sollte ich mir kein unspezifisches Ziel wie ein paar Kilos im neuen Jahr oder ein unrealistisches Ziel wie 20 Kilo bis zum Ende des Jahres auswählen. Je nach Gewicht wäre zum Beispiel ein Ziel von 5 Kilo bis Ostern ein smartes Ziel. Dabei kann ich bis Ostern meinen Fortschritt messen und wenn ich bis Ostern mein Ziel erreicht haben sollte, kann ich mir ein neues Ziel für einen expliziten Zeitraum stecken.

Zurück zum Thema Nachhaltigkeit. Welche Empfehlungen würden Sie hier treffen, um mehr Nachhaltigkeit im Alltag zu fördern? Gibt es beim Thema Nachhaltigkeit Besonderheiten, welche Sie in Ihrer Forschung begegnet sind?

Prof. Goerg: Im Kleinen ist der erste Schritt sicherlich mehr Wert auf bewusste Entscheidungen zu legen. Häufig möchten wir nachhaltiger Leben, aber durch Stress, Zeitdruck, oder andere Prioritäten treffen wir häufig Entscheidungen, bei denen wir Nachhaltigkeitsaspekte ignorieren. Wenn es mir möglich ist, sollte ich mir bewusst Zeit nehmen, um zu entscheiden was ist mir wichtig ist für die Produkte die ich kaufe, das Essen welches ich zu mir nehme, aber auch mit welchem Verkehrsmittel ich zu einem Termin reisen möchte.

Das zweite ist, dass wir regelmäßig unterschätzen, wie unsere soziale Umgebung zu gewissen Themen steht. Wir haben also nicht immer ein akkurates Bild über die Normen, die in der Gesellschaft gelten, weil wir beispielsweise besonders viel Aufmerksamkeit lauten und auffälligen Meinungsäußerungen schenken. In unserer Forschung sehen wir, dass die Bevölkerung in Deutschland denkt, dass sie individuell Klimaschutzmaßnahmen stärker befürwortet als der Rest der Gesellschaft an sich. Das Individuum unterschätzt also die Unterstützung in der Gesellschaft für klimapolitische Maßnahmen und fordert daher auch weniger.

Das dritte folgt aus dem vorherigen Punkt: Der Wandel in Organisationen zu nachhaltigerem Wirtschaften benötigt Verhaltensvorbilder. Üblicherweise geht es darum eine Norm, ein akzeptiertes Verhalten, durch eine andere Norm zu ersetzen. Wenn ich nun aber die Unterstüzung für die neue Verhaltensnorm unterschätze bin ich weniger bereit mein Verhalten zu ändern. Wenn ich jedoch prominent Gruppenmitglieder beobachte, die erfolgreich gemäß der neuen Norm agieren, verändert dies meine Wahrnehmung und erhöht meine Akzeptanz für die neue Norm.

Über das Thema „Nachhaltigkeit Zuhause und im Beruf“ haben Sie am 21. Februar auch in der Masterclass zum Zertifikatsprogramm „Sustainable Management & Technology“ gesprochen. Was können Nachhaltigkeitsverantwortliche in Ihrem Modul für den Arbeitsalltag lernen?

Prof. Goerg: In meinem Vortrag, werden wir uns mit einigen der gerade besprochenen Themen beschäftigen. Wie kann ich durch gezielte Informationen meine Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeitende zu nachhaltigerem Verhalten animieren? Welche Rolle spielen finanzielle Anreize aber auch intrinsische Motivation? Es ist ein kurzer Ausblick auf mein Modul im Zertifikatsprogramm, indem wir das Ganze vertiefen werden. Dort beschäftigen wir uns zusätzlich mit Maßnahmen, die eher kurzfristig oder eher langfristig Einfluss haben. Natürlich werden wir dort das Ganze für Organisationen im Kontext von sozialen Interaktionen betrachten und Gruppendynamiken und Verhaltensnormen mitberücksichtigen. Und schließlich überlegen wir gemeinsam, was all das für den angestrebten Organizational Change im Kontext von Nachhaltigkeit bedeutet.

Sie forschen selbst interdisziplinär und sind vernetzt mit verschiedenen Expert:innen aus Sozial- und Naturwissenschaften. Wie schätzen Sie das Forschungsumfeld am TUM Campus Straubing ein, an dem auch das Zertifikatsprogramm stattfindet? Welche Lernumgebung bietet der Campus für die Teilnehmenden des Programms?

Prof. Goerg: Unser Campus in Straubing ist ein sogenanntes Integrative Research Institute an der TUM und wir forschen an den Themen Biotechnologie und Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit ist ja so ein großer Themenkomplex, dass eine Disziplin dieses Thema gar nicht alleine vollständig durchdringen kann. Durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen können wir die technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen gemeinsam denken. Darüber hinaus haben wir in Straubing echte interdisziplinäre Studiengänge. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass wir zum Beispiel Manager:innen ausbilden, die sprachfähig mit den Naturwissenschaftler:innen und Ingenieur:innen sind, die gleichzeitig die Sprache der Ökonomen verstehen. Damit sind wir schon recht einzigartig in Deutschland und es ist einfach toll und unglaublich bereichernd, dass man in so einem Umfeld arbeiten darf.

Wir bedanken uns bei Prof. Goerg für das spannende Interview. Falls Sie mehr Interesse am Thema haben, schauen Sie gerne einmal in unser Weiterbildungsangebot im Bereich Transformation & Nachhaltigkeit.

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